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Schuldenreport: Risiko für Überschuldung und Armut steigt

(Wien, 2. Mai 2023) 2022 haben in den Schuldenberatungen 10 % mehr Erstkontakte stattgefunden als im Jahr davor. Die durchschnittliche Überschuldung der Klient*innen lag bei 61.430 Euro. Das zeigt der Schuldenreport 2023. Menschen, die in die Schuldenberatung kommen, haben monatlich durchschnittlich 1.400 Euro zur Verfügung. Bei fast der Hälfte ist die Pflichtschule die höchste abgeschlossene Ausbildung. Das Risiko, dass Menschen in Österreich von Überschuldung und Armut betroffen sind, steigt durch die Teuerungen.

Krisen werden in der Schuldenberatung zeitverzögert sichtbar. 2020 begann die Corona-Pandemie. 2022 nannten 14 % der Klient*innen, die zum ersten Mal eine Schuldenberatung in Anspruch nahmen, die Auswirkungen der Pandemie als einen Grund für ihre Überschuldung. „Erfahrungsgemäß werden auch die massiven Teuerungen erst zeitversetzt in der Schuldenberatung so richtig spürbar werden“, sagt Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen GmbH (asb), der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen. „Ein erster Anstieg ist bereits jetzt zu verzeichnen, teilweise hatten Schuldenberatungen Anfang 2023 eine Verdoppelung der Erstberatungen im Vergleich zu Anfang 2022.“

Kosten steigen, Armutsgefährdung wächst
Die Referenzbudgets der asb berechnen, wie viel Geld Menschen in Österreich für ihr tägliches Leben brauchen. Bei einer Familie mit zwei Erwachsenen und einem Kind waren das bei der letzten, auf den Daten von 2021 basierenden, Berechnung 3.130 Euro – bei bescheidener Lebensführung. „Durch die gestiegenen Kosten und erhöhten Kreditzinsen kann es mittlerweile finanziell auch für jene eng werden, die sich das Leben bisher gut leisten konnten. Es sind durchschnittliche Kosten von mehreren Hundert Euro dazugekommen“, so Mitterlehner. Offiziell gelten 15 % der österreichischen Bevölkerung als armutsgefährdet. Zieht man die Referenzbudgets der asb als Grundlage heran, sind es mehr als 20 % – das ist jede 5. Person in Österreich (Berechnung der Statistik Austria im Auftrag der Arbeiterkammer Wien).

„Wohnen, Energie, Lebensmittel – dafür wenden Menschen mit geringen Einkommen den Großteil ihres Haushaltseinkommens auf. Doch gerade in diesen Bereichen sind die Preise besonders stark gestiegen“, so Sozialminister Johannes Rauch. Die Bundesregierung habe mit einer Vielzahl an Hilfsmaßnahmen versucht, die Teuerungen auszugleichen: Kleine Pensionen, Sozialhilfe und Mindestsicherung wurden deutlich angehoben, Sozialleistungen werden ab sofort jedes Jahr erhöht. Rauch: „Jetzt sind wir dabei, uns auch noch den starken Anstieg der Lebensmittelpreise genau anzusehen.“

In der aktuellen Situation ist es besonders wichtig, Beratungen für Menschen in finanzieller Not anzubieten. „Aus meiner Erfahrung als ehemaliger Sozialarbeiter und Schuldenberater weiß ich, wie sehr die betroffenen Familien leiden, nicht nur die Erwachsenen, sondern vor allem auch Kinder. Die Schuldenberatungen leisten in diesen schwierigen Situationen hervorragende Arbeit.“ Um die Tätigkeit der Schuldenberatungen Österreichs auch in den kommenden Jahren zu unterstützen, hat das Sozialministerium Förderungen in Gesamthöhe von 500.000 Euro bis Ende 2025 bewilligt.

Daten aus der Schuldenberatung
• Unterstützte Personen: Rund 56.000 Menschen wurden 2022 von einer der zehn staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich unterstützt, davon wandten sich mehr als 18.500 Personen zum ersten Mal an eine Schuldenberatung. Das sind um 10 % mehr als 2021.
• Schuldenhöhe: Personen, die zu einer Erstberatung kamen, waren mit durchschnittlich 61.430 Euro verschuldet (bereinigte Durchschnittsverschuldung).
• Schulbildung: Fast die Hälfte (44,5 %) der erstberatenen Klient*innen haben als höchste abgeschlossene Ausbildung die Pflichtschule absolviert (in der Gesamtbevölkerung ist es mit 24,8 % nur ein Viertel). Nur 11,5 % haben Matura oder eine Ausbildung über Maturaniveau (in der Gesamtbevölkerung 30,3 %).
• Einkommen: Menschen, die in die Schuldenberatung kommen, haben im Median monatlich nur 1.400 Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Unselbstständig erwerbstätige Personen in der Gesamtbevölkerung verdienten in Österreich 2021 im Median 2.224 Euro netto im Monat (auch Teilzeitbeschäftigte mitgerechnet). Mehr als ein Viertel (26,3 %) der Klient*innen der Schuldenberatungen hat nicht mehr als das Existenzminimum zur Verfügung.
• Arbeitslosigkeit: Der Anteil der arbeitslosen Klient*innen ist um 4,1 Prozentpunkte auf beinahe 33 % gesunken – auf den niedrigsten Wert seit mehr als zehn Jahren. Trotzdem sind arbeitslose Personen in der Schuldenberatung fünf Mal so häufig vertreten wie in der Gesamtbevölkerung.
• Überschuldungsgründe: Arbeitslosigkeit/Einkommensverschlechterung ist nach wie vor der mit Abstand häufigste Überschuldungsgrund, gefolgt von Umgang mit Geld/mangelnder Finanzbildung, gescheiterter Selbstständigkeit und Auswirkungen der Corona-Pandemie.
• Privatkonkurse: 2022 wurden 8.176 Privatkonkurse eröffnet, die Schuldenberatungen begleiteten 71 % davon. In 55,1 % aller Abschöpfungsverfahren, die österreichweit eingeleitet wurden, wurde die asb zur Treuhänderin bestellt. In den 2022 beendeten Abschöpfungsverfahren mit der asb als Treuhänderin erlangten 95,6 % der Klient*innen die Restschuldbefreiung.

Finanzbildung und Budgetberatung
Um junge Menschen auf das Leben vorzubereiten, ist die Schuldenberatung seit den 1990er Jahren in der Finanzbildung tätig. 2022 wurden bei Veranstaltungen in 558 verschiedenen Institutionen fast 23.000 Personen erreicht. Knapp 9.000 Finanzführerscheine wurden verliehen, insgesamt haben schon mehr als 70.000 Jugendliche einen Finanzführerschein der Schuldenberatungen erworben.
Um sich frühzeitig einen Überblick über die Haushaltsfinanzen zu verschaffen und professionell begleitet Einsparpotenzial zu erkennen, gibt es seit bereits zehn Jahren die Budgetberatung als weiteres kostenloses Angebot der Schuldenberatungen. Sie richtet sich an (noch) nicht überschuldete Menschen, damit diesen – gerade in Zeiten der Teuerung – größere finanzielle Probleme erspart bleiben.